Was lange währt …
Mit 14 Jahren beginnt meine Beziehung zu motorisierten Zweirädern. Den Anfang macht die Scout, ein Mofa des heute weitgehend vergessenen Herstellers Demm aus der Nähe von Bologna. Eigentlich macht ein Mofa keinen Sinn, da ich damit weder schneller noch weiter als mit dem Rennrad komme. Aber Käufe müssen auch nicht immer rational sein. Außerdem ist die Demm günstig und lässt sich leicht entdrosseln. Lediglich einen Einsatz im Ansaugrohr entfernen und schon geht es mindestens genauso flott wie mit dem Rennrad. Als endlich der Tag meines 15. Geburtstag gekommen ist, stehe ich bei Sonnenaufgang auf und breche zur ersten Ausfahrt auf.
Mit 16 folgt der Einstieg in die Kreidler Szene. Aus mehreren Exemplaren werden die besten Teile für ein optisch und in der Leistung optimiertes Mopped zusammengeschraubt. Schließlich geht es darum mit den großen 50ern und den gerade aufkommenden 80ern mitzuhalten. Spannende Zeiten mit vielen Erfahrungen und kapitalen Motorschäden.
Dann ist es endlich soweit für richtige Motorräder. Mit 17 kaufe ich einem Cousin seine Yamaha XS 360 ab, die mit ihren 27 PS günstig zu versichern ist. Am 18. Geburtstag gilt es dann noch den Führerschein beim Straßenverkehrsamt abzuholen und das Motorradfahrerleben beginnt. Bei Wind und Wetter wird gefahren. Auch der nahende Winter ändert daran nichts.
Zu Beginn des Studiums endet dann aber Teil 1 meines Motorradfahrerlebens. Die für damalige Maschinenbauer üblichen DIN A0 Zeichnungsrollen (CAD war damals noch nicht) und Motorradfahren passen nicht wirklich zusammen. Gelegenheit zum Motorradfahren gibt aber es weiterhin, da mein Bruder mir recht großzügig seine Maschinen überlässt.

Während eines Betriebspraktikums nach dem 4. Semester (wichtig, weil da die Übungen in Konstruktionslehre vorbei sind und der Maschinenbauer keine Zeichnungsrollen mehr braucht) lerne ich Andreas kennen, der seine Suzuki GSX 1100 verkaufen will. Der Versuchung kann ich nicht widerstehen. Das Big-Bike der frühen 1980er Jahre und beim Marktstart in der offenen Version das stärkste Serienmotorrad der Welt. Das sein Exemplar einen blauen Tank hat, der optisch weder zur schwarz lackierte Pichler Vollverkleidung noch zu den schwarzen Seitendeckeln und Heckbürzel passt, ist mir bei seiner Preisvorstellung egal.
Doch ich muss zugeben, das ich die Unterhaltskosten der 1100er deutlich unterschätzt habe. Zum einem schlägt die Versicherung zu Buche, zum anderen die Verschleißteile. Besonders bei Autobahnfahrten ist der Verschleiß an Hinterreifen doch erheblich. Auto und Motorrad belasten meine Portemonnaie über ein vernünftiges Maß und so ist mein Intermezzo mit der GSX nur ein kurzes. In den Folgejahren nutze ich dann weiterhin das großzügige Angebot meines Bruders.
Erst 20 Jahre später rückt der Wunsch nach einem eigenen Motorrad wieder stärker in den Vordergrund. Mir ist klar, dass Job und Familie nur wenig Zeit zum Motorradfahren lassen werden, aber wenn ich mir kein Motorrad in die Garage stelle, dann wird daraus gar nichts. So fahre ich auf der Suche nach einem geeigneten Kaufobjekt viele interessante Motorräder Probe. Darunter Kawasaki Hayabusa, Honda XX Blackbird, BMW 1100R und Ducati 916. Obwohl mich die Handlichkeit der Hayabusa überrascht und die 916 bei mir auf der Probefahrt ein Dauergrinsen verursacht, suche ich weiter. Irgendwann lande ich bei der ZTK Erlebniswelt Motorrad in Schneverdingen. Damals ein Mehrmarkenhändler mit riesigem Angebot, das schon fast Messecharakter hatte. In der Ausstellung gab es auch eine kleine Fläche für Bimota, die ZTK bis zur Insolvenz im Jahre 2000 als Generalimporteur für Deutschland vertreten hat. Dort stand eine SB6R, die mir auf Anhieb sehr gut gefällt. Im Gespräch mit dem Verkäufer erfrage ich die Kontaktdaten des Vorbesitzers, um Informationen aus erster Hand zu bekommen.
Am nächsten Tag telefoniere ich mit dem Vorbesitzer aus Peine. Jürgen bestätigt, dass ich die SB6R bedenkenlos kaufen könne. Auf die Frage, warum er sie denn verkauft habe sagte er, dass sie eine kleine Delle am Tank habe und er sich das gleiche Modell ohne Macke wiedergekauft hat. Ehrlich gesagt war die Delle derart, dass sie mir nicht aufgefallen ist. Dann fragt mich Jürgen, was ZTK denn für die Maschine haben wolle. Als ich ihm den Preis von knapp 8.000 Euro nenne sagt er, dass ich dafür seine SB6R auch haben könnte. Jetzt wurde es interessant. Die SB6R von ZTK stand in meinen Augen super da, wie musste dann erst Jürgens Ersatz aussehen. Ich bin sofort interessiert und verabrede mich zu einem Besichtigungstermin.
Als ich bei der genannten Adresse eintreffe stehe ich vor einem sehr gepflegten, renovierten Bauernhof, dem Firmengelände eines Handwerksbetriebs. Die Firmenwagen stehen in Reih und Glied, sauber und gepflegt, alle in der gleichen Farbe auf dem Hof. Es ist klar, dass Jürgen wert auf Ordnung und Sauberkeit legt. Wir gehen in sein Büro und da steht eine ganze Reihe topgepflegter Italiener. Von Benelli über Bimota bis Ducati und MV Augusta. Mittendrin die SB6R, gerade einmal 8.600 Kilometer gelaufen, aus zweiter Hand und nahezu neuwertig.

Nach der Probefahrt bin ich restlos begeistert und überzeugt, dass dies der richtige fahrbare Untersatz für mich ist. Erstaunlicherweise kommt mir Jürgen auch noch finanziell entgegen, sodass wir den Deal schnell besiegeln. Erstaunlich deshalb, weil er mir seinen Kaufvertrag vorlegt und darauf einen kräftigen Abschlag gewährt, den ich nicht erwartet hatte. Die SB6R wechselt per Handschlag und anschließendem Kaufvertrag den Besitzer.
In der Folgezeit fahre ich nicht viel, aber ich fahre. Meist am Sonntagmorgen, eine Runde durchs Weserbergland oder ins Lipperland wenn die Familie noch schläft. Gut, wenn man da wohnt, wo andere zum Motorradfahren hinkommen. Bei der Hauptuntersuchung im August 2009 stehen 10.811 Kilometer auf dem Tacho. Das macht ganze 2.200 Kilometer in dreieinhalb Jahren – immerhin!
Parallel beschäftige ich mich mit dem Hersteller meiner Maschine und je mehr ich mich einlese, desto faszinierender finde ich die Marke. Die Geschichte der Gründung, der sich einstellende Erfolg, die technischen Innovationen, das italienische Design, die erstklassige und aufwendige Machart, die Leistungsfähigkeit eine kleinen, hochmotivierten Mannschaft und vieles mehr sind beeindruckend. Die SB6R fahre ich seit 2015 nicht mehr, aber weiterhin Bimota!