2. Alpentour mir der Reise-Bimota

Ende in Stern

Im August 2024 geht es wieder in die Alpen, diesmal sind die Dolomiten das Ziel. Mit den Erfahrungen der letzten Tour mit meiner Reise-Bimota fahre ich auch diesmal mit der DB3 als Ersatzmaschine los. Startpunkt der Tour ist Lindenberg im Allgäu. Hier kann ich Auto, Anhänger und DB3 bei einem Freund abstellen.

Am ersten Tag stehen gleich zwei echte Highlights auf dem Tourenplan. Bei strahlendem Sonnenschein führt die Route zunächst durch die Argenschlucht hinauf zum ersten kleinere Pass, dem 1514 Meter hohen Faschinajoch, das besonders auf der Südseite tolle Landschaften, viele Kurven und auch einige Serpentinen bietet.

Faschinajoch – nach der Passhöhe Richtung Süden

Die Südrampe führt hinunter nach Bludenz. Wenige Kilometer hinter der Stadt führt die Montafoner Straße nach Süden zur Mautstelle der Silvretta Hochalpenstraße. Hier werden 16 Euro für die Nutzung der Panoramastraße mit dem Motorrad fällig. Dafür gibt es einen kleinen Aufkleber als Erinnerung und 34 Kehren auf rund 22 Kilometern zum Genießen. Die ersten 25 Kehren führen hinauf bis zur Bielerhöhe in 2032 m.

Silvretta Hochalpenstraße – Auffahrt vom Westen zur Bielerhöhe

Nach dem Stausee führt der Pass auf der Ostseite über Ischgl hinab nach Galtür. Statt der Hauptstraße nach Landeck durch das Sannatal nehmen wir die Route über die Berge, biegen dazu kurz vor der Trisanna-Brücke rechts ab und fahren über Tobadill und Perfuchsberg hinunter nach Landeck am Inn. Von dort geht es das Inntal ein kurzes Stück hinauf und über den Piller Sattel mit schönen Ausblicken auf das Inntal weiter Richtung Ötztal. In Sölden beginnt dann die 68 km lange Timmelsjoch-Hochalpenstraße. Erst kurz vor der Passhöhe befindet sich die Mautstation, die sich unter dem wirklich empfehlenswerten TOP Mountain Motorcycle Museum Crosspoint befindet. Für die einfache Fahrt mit dem Motorrad über den Pass werden 17 Euro verlangt.

Timmelsjoch – Blick ins Passeiertal / Italien und rechts das futuristische Pass-Museum

Von der Mautstation sind es noch sieben Kilometer bis zur Passhöhe auf 2.509 Metern. Dort bietet sich ein toller Blick hinunter ins Tal. Die steilen Hänge lassen erahnen, dass auf den restlichen 22 Kilometer der Hochalpenstraße, von der Passhöhe bis hinunter zum Tagesziel in Moos, noch reichlich Serpentinen und Kurven vor einem liegen.

Timmelsjoch – Serpentinen dominieren den ersten Teil der steilen Abfahrt ins Passeiertal

Für den zweiten Tag steht Wolkenstein im Grödnertal in den Dolomiten inklusive der Sellarunde als Tagesziel auf dem Plan. Von San Leonhard führt der Jaufenpass über 2041 m Höhe nach Sterzing. Schon am Ortseingang, bevor man die Brennerautobahn kreuzt, geht die Route Richtung Süden durch die Santaler Alpen und über das Penser Joch (2211 m) Richtung Bozen. Nördlich von Bozen fahren wir Richtung Westen über den Ritten nach Waldbrück und weiter nach Klausen. Dort beginnt das Würzjoch, das über knapp 50 Kilometern bis nach St. Martin im Gadertal führt.

Auffahrt zum Würzjoch mit Blick auf den Peitlerkofel

Zu meiner Überraschung muss ich bereits wenige Kilometer oberhalb von St. Martin auf Reserve schalten. Das ist nach knapp 200 Kilometern seit dem letzten Tankstopp auch bei flotter Fahrt durch die Berge viel zu früh. Ansonsten läuft die YB8 aber tadellos und ich mache mir keine großen Sorgen, als ich in St. Martin auf die SS244 Richtung Süden zum Passo di Compolongo abbiege. Nach einem Kilometer kommt eine Tankstelle. Eine passende Gelegenheit vor der Sellarunde vollzutanken. Ich halte an einer Zapfsäule und nehme einen starken Benzingeruch wahr. Im selben Moment hält neben mir ein Motorradfahrer und sagt, dass mein Motorrad massiv Sprit verliert und ich besser von der Tankstelle fahren sollte.

Nun ist schnelles Handeln erforderlich, weil Benzinverlust bei heißem Motor ziemlich schnell übel enden kann. Ich rolle die Bimota von den Tanksäulen weg und schließe den Benzinhahn. Inzwischen hat sich eine große Pfütze unter dem Motorrad gebildet, aber jetzt läuft nichts mehr nach. Wieder Glück gehabt, wie auf dem Col du Glandon, wo ich im Juni wegen eines porösen Benzinschlauchs eine ähnliche Erfahrung machen musste.

Oh Mann, das braucht kein Mensch. Schon gar nicht, wenn das Thermometer an der Tankstelle 37°C anzeigt. Neben der Tankstelle gibt es eine Waschanlage, in der es neben den Waschplätzen auch eine leere Garage gibt, in die ich mein Motorrad schiebe. Wenigstens im Schatten schrauben.

Leider ein gewohntes Bild

Mit wenigen Handgriffen ist das Gepäck abgeladen, in dem auch das Werkzeug für das Monocoque liegt. Dies ist nur mit 3 Schrauben befestigt und der Tank ist lediglich mit Spanngummis am Rahmen gehalten. Da er fast leer ist, ist er auch leicht abzunehmen. Und, was kommt zum Vorschein? Alle Kraftstoffleitungen, Filter, Reserveschalter, Benzinpumpe und der Benzinhahn sind trocken und dicht! Hatte ich ja auch nach der letzten Tour komplett erneuert. Leider macht diese Erkenntnis die Fehlerbehebung nicht einfacher. Tank wieder drauf, Zündung an, Kraftstoffpumpe läuft, genau wie das Benzin aus dem Überlauf der Vergaser. Also mit großer Wahrscheinlichkeit ein hängendes Schwimmernadelventil. Wie in solchen Fällen üblich versuche ich, mit Schlägen auf die Schwimmerkammern das Problem zu lösen. Wird aber nichts. Bevor ich die Schwimmergehäuse beschädige, höre ich lieber auf.

Jetzt müssten die Vergaser runter. Bei den Bimota YB8 Modellen verläuft allerdings hinter der Vergaserbatterie eine Querstrebe im Rahmen, weshalb sich diese nur mit Spezialwerkzeug demontieren lässt. Das wird hier und heute aber garantiert nichts. Vielleicht hilft ja Vergaserreiniger und Super Plus. Beides hat Tamoil im Angebot. Ich schiebe die zerlegte Bimota zur Verwunderung anderer Kunden zur Zapfsäule und tanke ein paar Liter. Für 9 Euro gibt es ein Additiv zur Reinigung des Kraftstoffsystems. Vielleicht löst das Additiv das hängende Ventil. Nur bringt es nichts, wenn ich jetzt den Motor starte und alles rausläuft. Die Lösung: den Überlauf wieder in den Tank führen.

Ich gehe zurück zum Tankwart und frage nach einem Deckel von einem größeren Kanister. Bei einem Reinigungsmittelbehälter für die Waschanlage werden wir fündig. Der Deckel passt sogar auf den YB8 Tank. Mit einem Kreuzschlitz aus dem Bordwerkzeug sowie Nagelschere und Pfeile aus meinem Kulturbeutel bekomme ich ein Loch in den Deckel. Auf den Vergaserüberlauf stecke ich einen Schlauch, montiere Tank und Monocoque und führe das Ende des Schlauchs außenliegend zurück zum neuen Tankdeckel mit passendem Loch.

Dann Zündung an, Benzinpumpe läuft, starten. Der Anlasser dreht kurz, bleibt dann aber schlagartig stehen. Inzwischen ist offenbar Benzin in den Brennraum gelaufen und der Anlasser dreht den Kolben nicht über den oberen Totpunkt. Also 3. Gang und rückwärts schieben, damit der Sprit über die Ventile und Kolbenringe entweichen kann. Beim nächsten Startversuch klappt es. Der Motor läuft, wenn auch nur auf 3 Zylindern, und aus dem Schlauch läuft der Sprit munter zurück in den Tank. Beim Gasgeben wird es weniger, ab 5000 Umdrehungen fließt gar kein Benzin mehr aus dem Rücklauf. Dann mal los, zwar nicht wie geplant auf die Sellarunde, aber zumindest über das Grödnerjoch bis ins gebuchte Hotel in Wolkenstein.

Mit über 5000 Umdrehungen auf der Super Strada nach Süden. Irgendwann kommt auch der 4. Zylinder wieder. Vermutlich ist das Schwimmernadelventil wieder frei oder zumindest die Zündkerze wieder trocken. Der Motor hängt wie gewohnt am Gas und läuft rund. So gut, dass ich sogar in Abtei einen Fotostopp am Kreuzkofel einlege und mich traue, nicht im 1. Gang mit 5000 Umdrehungen zum Ärger der Passanten durch Abtei zu fahren, sondern bei 2.500 Umdrehungen im Dritten. Leider ist meine Rücksicht auf die Passanten keine gute Idee für das eigene Vorwärtskommen. Auf den 3 Kilometern von Abtei nach Stern fahre ich erst wieder Dreizylinder, dann Zweizylinder, versuche mit höherer Drehzahl was zu retten. Zu spät, in Stern ist der Motor vollkommen überfettet und stirbt ab.

Der letzte Fotostopp im Gadertal

Ich rolle noch von der Haupt- in eine Nebenstraße und stelle die Bimota auf dem Parkplatz neben einem Cafe ab. Hier wird sie eine Weile stehen müssen. Habe ich einen Schutzbrief für das Motorrad oder muss ich es selber mit dem Anhänger abholen? Wie auch immer, ich gehe in das Geschäft und frage nach dem Inhaber. Er bietet mir nach kurzer Erklärung der Situation sogar einen Stellplatz in der hauseigenen Tiefgarage an. Das Problem wäre schon einmal gelöst. Jetzt noch die Kontaktdaten austauschen und dann irgendwie über den Pass ins Hotel.

Leider wird das heute nichts mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wie der Chef des Cafes weiß. Im Internet suche ich nach Taxiunternehmen in Stern. Es gibt sogar drei! Der erste hat schon Feierabend gemacht und ist mit dem Fahrrad unterwegs. Eventuell könne er mich später fahren, vermutlich weil die 105 Euro, die die Fahrt generell kostet, eine Extraschicht interessant machen. Beim zweiten Taxiunternehmen nimmt keiner ab. Beim Dritten sind gerade alle Wagen belegt, aber man würde sich wieder bei mir melden.

So stehe ich vor dem Cafe und warte als ein Österreicher auf mich zukommt und fragt, wo ich hin muss. Er hat das ganze Treiben beobachtet, während er mit seiner Frau auf der Terrasse des Cafes sitzt. Ich erkläre kurz, was passiert ist und dass ich jetzt irgendwie versuche, nach Wolkenstein zu kommen. „Wir fahren dich da hin“ sagt er. „Ich muss noch kurz zahlen und dann können wir los“.

Die Beiden sind auch zum Motorradfahren in den Dolomiten, sind mit ihren KTM’s per Trailer angereist. Bei der Fahrt über das Grödnerjoch erzählt mir Heimo, dass er in Frankreich auch schon mit dem Motorrad liegengeblieben ist und die Hilfe eines anderen Motorradfahrers erfahren hat – „Motorradfahrer helfen sich“.

Nach Duschen und Abendessen logge ich ich auf die Plattform meiner Versicherung ein und stelle mit Freude fest, dass ich für die YB8 einen europäischen Schutzbrief vereinbart habe. Eine Sorge weniger. Ich muss nicht selber mit dem Anhänger von Lindenberg in die Dolomiten, sondern nur klären, wie ich zurück ins Allgäu komme, um mit meiner DB3 die Tour fortzusetzen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Meine Reise-Bimota kommt erst Mitte September mit einem ADAC Sammeltransporter, der havarierte Autos, Wohnmobile und Motorräder aus Italien nach Norddeutschland zurückbringt, an.
Ich kann es kaum erwarten die Vergaser zu zerlegen, um die Ursache für mein Liegenbleiben zu verstehen. Nachdem die Vergaserbatterie demontiert und die Schwimmerkammerdeckel abgeschraubt sind, lassen sich die Schwimmer inklusive Nadelventil einfach herausziehen. Im Sitz vom Nadelventil des ersten Zylinders liegt ein Stück Gummi. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es ein Stück Benzinschlauch, das ich beim Tausch nach der ersten Alpentour im Juni beim Zusammenstecken auf einem Stutzen des Filters oder der Kraftstoffpumpe abgeschert habe. Es hat sich dann aber viel Zeit gelassen, um im Sitz des Nadelventils anzukommen und festzusetzen. Da konnte kein Klopfen, Kraftstoffsystemreiniger oder ähnliches helfen.